Es Ist So Schoen Verrueckt Zu Sein!


offener brief an alle, die´s betreffen koennte:
„es ist vorbei“, hat dies nicht auch jesus gesagt?! jetzt ist es wirklich vorbei mit mir & meiner zeit, nun bin ich ein echtes fossil, das, zusammengepresst zwischen -zig schieferschichten, vergessen & verlassen in der erde ruht. jetzt kann ich in der tat tun & lassen, was ich will, niemand wird sich drum scheren. es bedeutet die ultimative freiheit des einzelnen. nur, dass der ultimo die hoffnungslosigkeit sein & das ende das altbekannte weltliche ende sein wird: anonym, verlassen, einsam, arm, bettelarm, armensarg, armenbegraebnis, armenverbrennung, armenentsorgung, hartz-iv-grabstelle, vergessen, vergessen & vergessen werden.
jetzt aber genug von diesen schwarzseherischen aussichten, es gibt auch positives zu vermelden, naemlich:
 die narrenfreiheit des verueckten – charakterisierung einer mimbacherin, die mich anscheinend gut zu kennen meint, ueber mein auftreten in den achtziger jahren in der oeffentlichkeit: „ach, der war doch immer besoffen & hat nur wirres zeug von sich gegeben, das keiner verstand!“
danke, unbekannte dame, sie haben der wahrheit direkt mit der brennenden fackel ins gesicht geleuchtet & ihr die augenbrauen versengt. danke.
waere ich eine comicfigur aus lucky lucke wuerde ich jetzt dagegenhalten: „das IMMER verbitte ich mir!“ aber ich bin keine comicfigur.
waere ich im marihuana-tran der kerouac-anhaenger steckengeblieben & wuerde bei jeder gelegenheit den altehrwuerdigen beat-epigonen eine lanze brechen wollen, wuerde ich ausrufen: „nur der rausch ist die wahre, wirkliche welt!“
niemand wuerde mir glauben, & jeder wuerde mich fuer verrueckt erklaeren & hat es inzwischen bereits mehrmals getan.
& zugegeben: ich bin´s gerne. ich huepfe gerne auf baeumen herum, esse pilze, die ich noch nicht kenne, worauf ich wild verzueckt jedes eichhoernchen, jeden kaefer & jedes wildschwein, jeden hasen & jedes kaninchen, denen ich begegne, knutschen koennte, was ich auch manchmal tue. seitdem gehen mir diese tiere zwar aus dem weg, aber es gibt noch andere wege, auf denen ich wandern kann. unsere landschaften sind voll davon.
& die landschaften sind voll von diesen tieren, die ich eben aufzaehlte. & noch vielen anderen mehr. ich werde beileibe nicht diese besagte dame tierhaft charakterisieren, das liegt mir fern – einhoerner gibt es nicht mehr, & einfaeltige tiere gibt es ebensowenig.  
die wahrheit ist: ich habe in meiner jugend gerne gesoffen, bin gerne mit meinen kruden ideen hausieren gegangen vor leuten, die ich wenig oder gar nicht kannte, & schlimmer noch, selbst vor denen, die ich gut zu kennen glaubte, & vor denen ich mir meine bizarren spaesse erlauben konnte.
heute weiss ich, man kann sich nichts erlauben, wenn man keinen guten leumund hat. ich frage mich nur, welchen leumund diese besagte dame hat.
mir laeuft der schlechte ruf voraus. er ist der herold meiner begangenen & nicht begangenen schandtaten. er ebnet die strecke, die noch vor mir liegen mag & stellt die weichen & fussfallen, die mich niemals ins ziel kommen lassen. er ist der gute freund meiner familie, die ich nie hatte. er ist das kind meiner worte, die ich in der falschen tonart gesagt habe – er singt das schlachtenlied der vergeblichkeiten, das hohelied der schwaeche & psalmodiert aus dem hymnenbuch meiner unzulaenglichkeiten.


 

Wolf In The City, Part 7


ein freitag, ein montag, dienstag, mittwoch, & ein donnerstag – ich kann nicht behaupten, dass sich in diesen letzten fuenf tagen meines arbeitsverhaeltnisses nichts bewegen wuerde. ich gehe naemlich jeden morgen zu fuss zur arbeit, so, wie ich vor ueber zwei jahren angefangen habe. & so, wie es begann, wird es auch aufhoeren, ganz klein & jaemmerlich, kurz davor, sich in die hosen zu machen – schoene neue welt, die sich im beginnenden alter nicht mehr viel aendert. nur dass es jetzt noch leichter bergab geht. fuer mich als grau gewordener stadtwolf kein grund zum verzweifeln. jedoch, zweifel habe ich ueber & uebergenug. die bleiben mir stets auf meiner faehrte, obschon sie keine gefaehrten sind.
spreche ich von aeusserlichkeiten – die bliesbruecke veraendert sich allenthalben, es geht voran mit der rechten fahrspur der bruecke, in dieser beginnenden freitagsdaemmerung, morgens um halb acht, kann ich nicht viel erkennen, das wasser ist tiefschwarz, & der dichte nebel tut ein uebriges. die baustelle oberhalb des wassers ist von einem einzigen grossen scheinwerfer beleuchtet – ich sehe ein paar arbeiter in der kaelte stehen, ihre gelben helme ragen vage aus dem grau heraus, wie fremdkoerper in einer wildgearteten umgebung. richtig verstohlen trottend komme ich mir vor, als ich die bruecke ueberquere, diese gedanken habe ich ueberhaupt nicht, wenn ich mit meinem auto den selben weg einschlage – alte bilder tauchen schemenhaft vor meinem inneren auge wieder auf, bilder vom winter 2008, als ich aeusserlich ruhig & gefasst jeden morgen meinen weg zur arbeit einschlug, zufrieden, dass ich manchmal ein paar kilogramm weniger wog in diesen tagen, unzufrieden mit der gegenwart & meiner voellig raetselhaften zukunft. nun gut, die gegenwart ist noch immer nicht befriedigend, aber wenigstens weiss ich, was mich zukuenftig erwartet …..
fast immer, wenn eine kleine episode oder „epoche“ in meinem dasein sich dem ende zuneigte, kam ich ins gruebeln & wurde sentimental. diesmal nicht. liegt es an der jahreszeit oder daran, dass sich das ganze wiederholt, was ich zur zeit durchmache, aber ich will dieses mal den kopf nicht haengen lassen oder in den sand stecken. dieses mal wird meine kreativitaet noch staerker als sonst dabei sein, neue wege & zuversichten zu finden.

einen guten ruf als stadtwolf geniesse ich keineswegs, ich bin nicht traurig darueber. ich werde diesen schlechten ruf sogar pflegen, so, wie ich es immer gehalten habe seit den achtziger jahren. frei nach heinrich heine, der geschrieben hat: ich moechte an jedem morgen aufwachen & gewiss sein, dass meine feinde an einem der baeume da draussen haengen ….. wahrlich ein beruhigender gedanke. doch gibt es ueberhaupt so viele baeume im stadtgebiet blieskastels!?

als reissender wolf haette ich sicherlich keine bedenken, es meinen feinden heimzuzahlen. ich bin in die jahre gekommen, mein zorn & mein heisshunger sind nicht mehr so stark wie vor 25 jahren – die natur erledigt vieles auf ihre art, auch bei den woelfen, glaubt mir das.

daneben bin ich stark versucht zu sagen: ja, meine damen & herren, ich habe einen traum fuer die naechste zeit: ich moechte als hyaene wiedergeboren werden & durch eine leere stadt streunen & dabei die letzten ueberreste seiner menschlichen & tierischen bewohner auffressen. & diesen traum verstehe ich nicht als alptraum!!!!!!

 

Wolf In The City, Part 8 – Woelfe & Jaeger


jetzt patrouillieren sie wieder, die apostel des tierischen ablebens, die jaeger im gruenen rock, sie beziehen posten an fast jeder strassenecke & lauern mir auf, weil ich ein pelztraeger bin – den pelz kann ich vor ihnen noch einigermassen verstecken, doch meine gelbstichigen augen & meine grosse schnauze kennt fast jeder hier in der stadt. ich gehe ihnen nur zu gerne aus dem weg, aber sie kennen mich zu gut, rufen mir wueste worte zu, eine art aufforderung zu einem ungleichen kampf auf leben & tod, den kampf, den ich auf den tod nicht ausstehen kann. sie halten ihre geladenen buechsen mit den laeufen hoch in die luft, den finger am abzug, sie grinsen mir schamlos ins gesicht & freuen sich diebisch, mir ein paar kugeln in den kopf zu jagen. wenn sie ihn denn treffen werden ……. sie ihrerseits freuen sich, bald im besitz meines schoenen winterfelles zu sein, mit dem sie ihre wohnung ausschmuecken & ihre eitelkeit befriedigen koennen. sie haben nicht nur die jagd, sie haben auch den erfolg gepachtet – & warten darauf, dass er sich einstellt. es sind jaeger, nicht aus leidenschaft, sondern aus einem enormen erfolgsdruck heraus – sie muessen mit einer bestimmten strecke an jagdbaren tieren aufwarten koennen, sonst ist es aus mit ihrer karriere in wirtschaft, industrie & wald.
woelfe haben keine karriere zu machen. wir brauchen nur wolf zu sein. ein woelfisches gemuet ist unsozial & damit befaehigt genug für einen hinauswurf aus dieser gesellschaft. ich frage mich nur, ob jaeger auch dieser edlen gesellschaft angehoeren, oder dass sie doch ihre eigene bilden, es waere ihnen nicht zu verdenken. denn ist nicht ihr gruener rock ein statussymbol der besonderen art!?

sie sind wie kleine welpen. so leicht zu durchschauen, ich muss jedes mal ein kichern unterdruecken, wenn ich sie breitbeinig & männlich stark herumlaufen sehe, die flinte als ihr statussymbol, dazu den etwas angejahrten mercedes in silbergrau auf dem staedtischen marktplatz, damit ihn alle welt bewundern kann. ach, es gibt so viele wunderbare gelegenheiten, sich ihrer laecherlichkeit bewusst zu werden & vergnueglich angedeihen zu lassen, ich kann es kaum beschreiben.
einmal mischte ich mich, als englaender mit cut & grauem zylinder verkleidet, an einem faschingsball unter dieses voelkchen der stadt. & da ich wirkte wie aus einem roman aus dem 19. jahrhundert fiel ich nicht weiter auf, meinen backenbart hatte ich entsprechend gekaemmt, er passte ideal zu meiner verkleidung. & ich tanzte mit allen damen der anwesenden honoratioren der stadt, sie umschwaermten mich geradezu, weil ich in der tat ein guter taenzer bin, vor allem bei den altmodischen walzern – ihre maenner wurden stellenweise eifersuechtig auf mich, weil die damen so begeistert waren von meinen vorzueglichen manieren & gepflogenheiten.
& bei der demaskierung blieb ich verschwunden – schnell hatte ich mich auf der herrentoilette meines kostuems entledigt & ging wie gewohnt als nackter, nackter wolf, das kostuem, das mir am besten steht.
niemand erkannte mich.
etliche der damen, mit denen ich getanzt hatte, vermissten mich bei der demaskierung. sie standen in der tat auf mich mit meinem altmodischen, englischen aussehen. als wolf, & ich bin recht wohlgeraten als vertreter dieser fleischfresserkaste, nahm mich niemand von ihnen vorher zur kenntnis. entspricht man nicht ihren vorhersehbaren schoenheitsidealen, ist man ein nobody. sie hatten jedenfalls nur augen fuer fraecke & zylinder. & von meinen jaegern konnte ich keinen einzigen erblicken an diesem abend, sie blieben verschwunden, den grund dafuer weiss ich bis heute nicht. es waren nur wichtige & wichtigste herrschaften der stadt vertreten, die blutordenvertreter blieben aussen vor.
mir war´s recht. sich als wolf, wenn auch verkleidet, in diese gefaehrlichen hoehlen des hasses & der ausrottung zu wagen, war sehr kuehn von mir gedacht. hinterher wunderte ich mich selbst ueber meine courage. aber, so hoerte ich, die damen sprachen noch wochenlang von diesem gutaussehenden englischen taenzer, der sie so ueberaus galant ueber das parkett gefuehrt hatte. dabei hatte ich lediglich meinen wolfstrab zurueckgehalten, um die damen so richtig auf trab zu bringen. das scheint mir ja tatsaechlich gelungen zu sein.

nun hat mich die wirklichkeit wieder – manchmal lauern mir diese tueckischen gruenen herrschaften so hinterhaeltig auf, dass sie mich waehrend meines besuches in der stadt ueberraschen & sogar verletzen koennen, im letzten jahr mindestens fuenf mal. ich habe die attacken ueberlebt, aber zwei narben blieben von meinen verwundungen zurueck, die ich heute noch spuere. sie werden nicht die letzten sein.

Mein letzter Tag im Amt der fürsorglichen Entsorgung


hasenfellhimmel – hasenfellhimmel – dieses wort ist aus einem gedichtanfang von paul celan, dem wunderbaren, raetselhaften dichter, es passt zur himmelsfarbe dieses donnerstagmorgens.
& es passt zu meiner person: ich besitze ein hasenherz, grau & blutig, klein & zag, ein ungegerbtes hasenfell, das laengst raeudig & schuetter sein muesste & einen himmel, der nicht mir gehoert, sondern einer unbekannten anderen rasse. ich fuehle mich verfolgt & von hunden & treibern gehetzt, die nur darauf warten, mir dieses fell ueber die ohren zu ziehen. gestern abend redete ich noch mutig & beherzt, heute verschwimmt aller mut im graublau des morgens, jedes sandkorn auf der strasse hat heute eine andere farbe als gestern. & morgen wird sich die farbe wieder veraendert haben.
im loslassen bin ich geuebt – es war nicht immer so, als ich jung war. da hielt ich fest, so lange ich nur konnte, es hat trotz alledem nicht viel genutzt. nun lasse ich das seilende los & befinde mich wieder im freien fall, wie vor fuenf, sechs jahren. die teufel passten auf, dass ich nicht strauchelte, & die engel gaben mir einen kleinen stubs mit auf den weg, aber auch dies ist voruebergegangen wie wasser in einem fluss.

Wolf In The City, Part 6


Winterschlafenszeit – vorübergehende abkehr von der lieblingsstadt & aufbruch in die waelder meines heimatlichen dorfes auf der rechten seite der blies – aus nassem walnusslaub baue ich eine huette, lade die residenten singvoegel ein, mit mir zu speisen & schenke ihnen die kruemel, die mir andere menschen grosszuegig ueberlassen haben. jeder muss irgendwie ueberleben koennen – mein ueberlebenskampf ist ein rueckzug, nicht ganz freiwillig, aber ich finde ihn spannender als das herumstreunen auf asphaltierten wegen in den haeuserschluchten, wo es keine nahrung fuer mich mehr gibt. auch sind woelfe hier im stadtgebiet selten geworden, ich kenne nur vier stueck, die sich mir halbherzig angeschlossen haben, andere ziehen es vor, bei den menschen zu bleiben & deren sprache zu sprechen. aber diese vier gehen sich trotzdem gegenseitig aus dem weg, zu gross ist der drang, alleine zu sein & zu bleiben.
es gehoert kein elitaeres denken  dazu, in winterlichen zeiten sich abzusondern. es gehoert eine menge mut dazu, es dennoch zu tun. ich begebe mich freiwillig auf duennes eis, meine zukunft ist unsicherer denn je, die gefahr zu verhungern ist gross, dabei hat der winter noch nicht einmal begonnen. dennoch, die schlafenszeit ist gekommen. ich meine nicht den winterschlaf, woelfe halten keinen winterschlaf. auch die leute in der stadt halten keinen, sie sind nicht darauf vorbereitet, sie bleiben zuhause & naehren sich redlich von dem, was sie verdienen.
viele woelfe hingegen verdienen nicht einmal mitleid. sollte ich je einem meiner jaeger begegnen, der bestimmt zu keinem mitleidstraeger gehoert, so wird er dies nicht ueberleben. doch dies waere wiederum stoff fuer einen weiteren artikel, das verhaeltnis von woelfen zu jaegern.

Ein blieskasteler sommer geht zu ende – oder: wie irrtuemer entstehen & zu ende gedacht werden koennen


 
Grand Hotel Tivoli im Januar 2010

 

was geschieht, wenn eine persoenlichkeit des oeffentlichen lebens stirbt? die welt geht unter, die voegel koennen vor gram nicht weitersingen? die kirchenglocken schweigen, in der blies schwimmen kleine stueckchen trauerflor?
nichts geschieht von alledem, ein halber oder ein ganzer staatsakt stehen auf dem festprogramm, weiter nichts.
was geschieht, wenn der sommer geht, leise & verstohlen, kaum spuerbar, auf den wassern der blies liegen erste gelbe blaetter beinahe regungslos, leichenstill – wie´s der herbst so will. selbst die enten sind verstummt. es liegt nicht an den bauarbeiten zum neuen kreisel, bestimmt nicht, es liegt nicht am vermummungsverbot an halloween, es liegt an der tatsache, dass das hotel tivoli verschwunden ist. frueher war es einmal das –       d   a   s    !    – grand hotel im grossraum blieskastel, wo sich die spitzenleute deutschlands & europas die klinke in die hand gaben, wurde es vor einiger zeit zu einem schatten seiner selbst – & heute ist es vom erdboden verschluckt worden. vor dreissig jahren bildete es noch den hauptbestandteil der skyline von blieskastel – heute ist es nicht einmal eine erwaehnung in den blieskasteler nachrichten wert.
der sommer in blieskastel geht auf leisen sohlen, auf sehr leisen.
kulturell, staedtekulturell, von architektonisch grosser attraktivitaet, schafften es seine besitzer seit dem jahre 1975, das hotel herunterkommen zu lassen, es diente am schluss als absteige fuer penner, katzen & graffiti-kuenstler, die ueber das „silke-ich-liebe-dich“-stadium nicht hinauskamen. aber warum sollte ein graf wie fiti sich dort auch laengere zeit aufhalten, wenn der service & der luxus des hotels den bach runtergingen!?
statt birne helene in seinen glanzeiten gab es ab januar diesen jahres die abrissbirne, auch zur mittagszeit, zum dessert. schoene neue welt. dabei sagten besucher & einheimische über das grandhotel, es waere ein echter hammer fuer diese gegend. aber der blaue himmel mag gleichgueltig dreinschauen, diese glanzzeiten sind vorbei.
es erlebte seine glanzzeit in den fuenfziger jahren des vorigen jahrhunderts. diese galante zeit nach dem krieg bildete die keimzelle fuer die darauffolgenden unruhigen jahre der wilden sechziger, sie gingen auch an blieskastel nicht vorüber. was fuer heutige zeitgenossen outrageous waere, damals war es hoechst raffinierte bohemienkultur eines wohlhabenden buergertums, das seinen hauptsitz nicht nur in webenheim, dem nachbarort, hatte, sondern ebenso sehr in diesem hauptort im saarlaendischen bliestal.
in den siebzigern wurde es zunehmend ruhiger mit dem hotelleben – die prominenz blieb aus mit den jahren, doch war es ein schleichender prozess.
& nun kommt der hammer, ist bereits gekommen. wo frueher die suiten sich aussbreiteten für die illustren gaeste in der stadt stehen heutzutage die loecher in der luft, wackelig, baufaellig, hohl & dunkel. genauso, wie die vielen zaungaeste beim abriss loecher in die luft starrten, vielleicht ein abbild dessen, was sie in jenen februar- & maerztagen bereits vorhersahen!? absperrgitter ragen wie gerasterte haizaehne vor dem auge des betrachters auf, loecher in der erde, am berghang, glotzen mit totenschaedelaugen in die gegend, die vegetation ist nahezu ausgemerzt, selbst junge birken wuchsen in den leeren augenhoehlen der glaslosen fenster, die,  eingedrueckt von wind & wetter & den gezeiten der jahreslaeufte, sich dunkel abhoben von den grauen, verwaschenen aussenwaenden. warum nur musste blieskastel den niedergang dieses grossartigen hotels erleben, konnte es nicht gerettet werden, so, wie karstadt gerettet wurde?! anscheinend nicht, hotels bringen der bundesrepublik nicht genügend steuern, seitdem die mehrwertsteuerabgaben für das hotelgewerbe halbiert wurden. aber nach dem fortbestand der staedtischen kultur, die so ueberaus wichtig ist, fragt keiner.
 dabei waere ein hotel, ein gutes, in blieskastel mehr als vonnoeten.     

    

kritische stimmen meinen, ein projekt wie das grand hotel tivoli wäre ´kalter kaffee´, doch dem mag ich einfach nicht zustimmen. schliesslich tat das hotel in seiner aufragenden gestalt ein uebriges zu dem romantischen stadtbild von blieskastel. & der satz ist wahr: dort wo grau vorherrscht, ist auch grau drin. doch: ein altersheim sollte das hotel niemals sein. dann lieber einen abriss veranstalten, der sich ueberdies auch noch sehen lassen kann. so geschehen im jahre 2010, wie man weiss. & die fotos sprechen fuer sich, wie zu sehen ist.
kritische, ja, vernichtend kritische stimmen ueber dieses noble grand hotel konnte ich bisher nicht vernehmen, dabei sollte man immer ein offenes ohr fuer solche tendenzen haben. es ist zu schade, dass eine glorreiche aera nun zu ende gehen soll, mit diesem sommer. weshalb sind die sommerenden in blieskastel nur immer so traurig? gibt es hier keine alternativen?
   

Wolf in The City, Part 2


wieder ein paar wochen spaeter – jetzt beginnen die demuetigungen, eine erste ahnung an ohnmacht habe ich schon seit längerem mit mir herumgeschleppt, nun kehren die nadelspitzen wieder, die den bauch treffen & darunter. um bei der überschriftsmetapher zu bleiben, der stadtwolf bekommt aerger, jeden tag mehr, er muss nun auf die muellplaetze ausweichen, wenn er was zu fressen finden will, muss sich von aas ernaehren, von frischem fleisch kann er nur noch traeumen. & er wird allerorts getreten, geschlagen, verjagt & bedroht, sogar mit dem leben. so jagen die staedter nicht mal einen hund fort. einen stadtwolf aber schon. die gesellschaft wandelt sich, sie besinnt sich auf sich selber als die grosse, ewig zufriedengestellte masse, die von aussenseitern nichts wissen will, sie haben keinen rahmen für sie, sie haben nur zwinger.

sperren sie mal einen wolf in einen zwinger. le loup de la ville ne doit pas d´exister (verzeiht mein fehlerhaftes franzoesisch, n´est-ce pas?!).

es gibt auch noch andere reaktionen & emotionen, die mich mehr beeindrucken – sie wollen mir mut machen & bezeugen, dass die leute, die solche saetze zu mir sagen, ein wenig nachgedacht haben. ihnen scheint in der tat etwas an mir zu liegen. das adelt sie & laesst meine trauer & wut ein bisschen verstummen. zumindest ziehe ich mich etwas beschaemt in meinen bau zurueck & versuche weiterhin kreativ zu sein. kreative ohnmacht pflegen, sozusagen.
also gut, einen kleinen kompromiss muss ich mir eingestehen, der wolf aus der prairie hat´s geschafft, in der stadt heimisch zu werden, stadtwolf zu sein, es ist zwar eine zahlenmässig kleine stadt, aber immerhin – hier gibt es dachse, waschbaeren, katzen, hunde, ratten, maeuse, kaninchen, eidechsen, rehe – und jaeger. also genug beutetiere, um mir mein ueberleben zu sichern. dennoch bin ich nicht gluecklich dabei. mir fehlt etwas, & meine leser werden es zumindest ahnen, was. ich werde sporadisch darueber berichten. so kann auch ein einzelnes leben sporadisch untergehen. die weichen dafuer sind in deutschland gestellt. es geht voran, jedenfalls in dieser beziehung. der stadtwolf hat keine daseinsberechtigung, das ist die maxime der politiker & verantwortlichen. sie vertreten die stadt & das gesamte system.
& ja niemand soll verdacht schoepfen.

wer nur ist das „system“?

stadtwolf sein oder nicht sein, das ist fuer mich keine frage – wenn´s mir uebel wird im gemuet, gehe ich auf jagd, demuetigungen hin oder her.

Offener Brief an die ehemaligen Mitglieder unserer Rockband


hallo, hans, lou, charly,

da gabs mal ne band ende der siebziger/anfang der achtziger jahre, es war unsere eigene, aus einer ehemals zornigen schuelerband wandelte sie  sich zu einer ernst zu nehmenden rhythm & blues-truppe a la rolling stones, eine kleine, unbedeutende rockband mit gelegentlichen ausfluegen ins country-fach – damals warst du, hans, schon einige  jahre nicht mehr dabei, es waren zwischenzeitlich andere leute hinzugekommen & wieder gegangen, all das ist nachzulesen in meiner Retrospektive über uns – die nächstes oder übernächstes Jahr herausgekommen sein wird …. ausgerechnet du hast anfang dieses jahres die idee wieder aufgegriffen, diese alte band wieder auferstehen zu lassen. den wunsch hatte ich schon lange, das letzte mal im dezember 2004, als die session mit lu & helmut mehr oder weniger in die hose gingen. damals wollte ich so ne art weihnachtsplatte machen für günter f. und die übrigen exmitglieder, ein so genanntes hallo-hier-sind-wir-wie-ihr-seht-immer-noch-stark kammerkonzert zu dritt, mit 4 oder 5 alten titeln, die unsere ewigen lieblingssongs darstellten, You Ain´t Goin´ Nowhere, I Shall Be Released & andere.
es hat nicht sollen sein.
da gabs mal ne band, & keiner nahm den anderen so richtig ernst. eigentlich sollte man dies tun, wenn man musik machen möchte. aber dem war auch nicht so. also, warum sollte ich dieser gruppe nachtrauern, wenn das quatschmachen & herumalbern wichtiger waren!?

weil´s da noch ein paar musikalische augenblicke gab, die hochinteressant waren &  immer noch sind.  in uns allen schlummern noch immer talente, davon bin ich überzeugt. & die muessen raus, bevor wir alt sind & nichts weiter tun koennen als warten.
ich war derart angespitzt im januar/februar 2010, dass ich ein kleines repertoire für uns zusammenstellte mit drei instrumentals, die ich mit euch ausarbeiten wollte, texte habe ich genug, wir hätten etwas gemeinsames schreiben können. ideen waren schon immer da, nur wurden sie nie ernsthaft in angriff genommen von uns. das war unser grosses, grosses dilemma.
nun gut, belassen wir die vergangenheit dabei, wo sie hingehoert. bleiben wir in der unmittelbaren gegenwart. ich moechte immer noch, dass die band mal wieder zusammenkommt. ich wuerde so gerne eigene lieder spielen, die entweder von mir eingebracht werden oder von uns allen zusammen geschrieben & arrangiert werden, es ist einer dieser grossen, grossen traeume, die ich hege. alleine musizieren & aufnehmen macht nur begrenzt spass, ich merke schon lange, dass meine fertigkeiten beschränkt sind, aber mit euch zusammen wäre es sicher anders, sogar besser. auf jeden fall wären die impulse & ideen & musikalische bandbreiten viel weiter angelegt als bei einem solopart. es waere noch besser, wenn jeder seine soloziele hier einbringen koennte, habt keine scheu, es gibt fuer alles ein publikum, es muss nur gute musik sein.
waert ihr drei anderen dazu bereit, auch meine ideen zu verwirklichen, so, wie wir die jedes anderen verwirklichen wuerden? waert ihr bereit, unsere musik endlich & endgueltig ernst zu nehmen?
ich traeume von auftritten, einem oder zwei selbst gedrehten videos, die wir auf you tube veroeffentlichen koennten, aber vor allem traeume ich davon, dass wir an songs arbeiten, sie aufnehmen, arrangements finden, sounds finden – & wenn´s bloss bei einem samstag-/sonntagnachmittag-hobby bleiben sollte.

& dann die realitaet – zeitmangel, zu grosse entfernung, desinteresse, absagen, absagen, verschleppungen, vergesslichkeiten, kein engagement, kein echtes interesse, lippenbekenntnisse, papiertiger. illusionensterben, ideenausrottung, abwürgen von spontaneitaet, die ganze palette. ich war auf dies alles gefasst, hand auf´s herz. aber wenn es dann eintrifft, trifft es mich doch.
die illusion lebt weiter.

dies ist ein offener brief, ich wuensche, dass er von euch gelesen/geschlossen wird.

Die raeterepublik im angelsportverein


wenn worte & saetze zusammenkommen ……. wenn saetze zu thesen werden …… wenn thesen zu doktrinen gerieren …… wenn doktrinen zu …… ja – was kaeme danach!? …. aber jetzt mal von vorne, ganz langsam, zum mitschreiben.
es gibt leute, die etwas wissen, zugegeben. & es gibt leute, die etwas besser wissen, auch zugegeben. & von diesen beiden kategorien gibt es noch welche, die alles viel besser besserwissen. sie sind altbekannt.
Nur eines wissen sie nicht, können sie nicht wissen: wie blind & taub & resistent eigener kritik gegenueber sie sind. sie haben naemlich keine, konnten sie nie entwickeln, weil ihre eigene aufgeblasene persönlichkeit ihnen selbst im wege stand.
gleichzeitig sind sie keineswegs immun gegen kritik oder gegen schärfere sachen wie häme, spott, sarkasmus, wenn sie von aussen kommen sollte. darauf reagieren sie wie auf alles eigentlich, mit unbändiger aggressivitaet & fast schon krankhafter sensibilitaet.  aber nur, weil es dabei um ihre eigene person geht.
& sie reden, sie koennen sich ausschliesslich nur selber reden hoeren, sie trinken den dicken saft ihrer eigenen worte & saetze wie nektar, & sie sind stets vernuenftig & bleiben im rahmen.
in welchem rahmen eigentlich? wie kann man im rahmen bleiben, wenn man staendig aus dem rahmen faellt?
& sie geben zu jedem senf ihre eigene wurst dazu, die wiegt selbstverstaendlich mehr als der beitrag der anderen. es sind tag- & abendfuellende zeitgenossen & -genossinnen, schliesslich haben sie ja etwas zu sagen.
noch etwas zu dem gewichtigeren teil des ganzen erscheinungsbildes: jede, aber auch jede aufgestellte behauptung oder meinung eines dritten wird in die minderwertige zone gedraengt, es wird gnadenlos so lange gegen etwas gesagtes konterkariert, bis derjenige, der es sagt, entweder aufgibt oder nach schottland emigriert & sich einem dortigen familienclan anschliesst.
& wie steht´s mit der eigenen meinung? es steht sehr gut um sie, ich kann sie beruhigen. die steht wie ´ne eins, wie ein goethegedicht im lesebuch einer 6. hauptschulklasse – oder wie schiller´s „Glocke“ („…. festgemauert in der erden ….).
oder das allgewaltige expressive auftreten des „ich-habe-recht-&-das-muss-&-wird-recht-bleiben“-gehabes bei jeder gelegenheit, sei sie auch noch so banal & unwichtig. solch ein zeitgenosse gruendet keinen biederen verein, er gruendet gleich eine raeterepublik im angelsportverein, nur um diesen nach einiger zeit beleidigt wieder zu verlassen & sich zu wundern, weshalb er nicht gut ankommt.
ich spreche beileibe nicht von mir, auch nicht von ihnen – ich spreche von leuten, die seit ihrer kindheit nur vorne im bus sitzen wollen & es auch stetig durchsetzen. sei es mit gewalt, sei es mit lauter stimme, sei es mit ohrenbetäubenden beifallserheischungen jedweder art, die sich ein individuum nur ausdenken kann.

Tagebuchblatt 7_12.08.2010


1_eine „wundervolle“ scheussliche nacht verbracht, mit schweissausbruechen, kopfschmerz & magenverstimmung aufgewacht – eigentlich nicht auf-gewacht, sondern auf-geschlagen wie ein rohes ei, so begann der morgen (wieder dieser jammerlappen!, werden meine leser jetzt sagen, aber ich erzaehle bloss, wie es war). manchmal haben die naechte tausend augen, diese jedenfalls nicht.
wie es sich anfuehlt, wenn alles verloren ist? so aehnlich wie oben, nur mit dem bewusstsein, wach & am leben zu sein. zukunft ist nicht mehr, sie ist gestorben, ebenso die alte luegnerin HOFFNUNG – eine mittlerweile abgedroschene metapher, die ich einst zu einer arge-sachbearbeiterin sagte.
was jetzt noch zaehlt? muss ich erst drueber nachdenken, habe keine vorstellungen.
ich fluechte mich in meine alten genres – beat generation, jack kerouac, allen ginsberg usw. die haben wenigstens gelebt, wie sie es wollten, auch mit geldsorgen & armut gekoppelt an den alptraum, der sich amerika & – in meinem fall – deutschland nennt. anmassung von mir!? sicherlich, anmassung von mir, mich mit den beat-autoren auf eine stufe zu stellen. aber wenn mir danach ist, sie mal wieder ins gedaechtnis zu rufen!? jetzt weiss ich zumindest, was es heisst, vogelfrei zu sein, in einer gesellschaft zu leben, die mich nicht braucht & mirnichtsdirnichts auf den muell ihrer selbst wirft. ein wunderbarer kreislauf, der nie endet. das wunder des lebens, der sinn allen seins. ich danke auch recht schoen (müsste ich das nicht an die ARGE schicken, mit ´nem schoenen gruss von mir?).

2_im november soll ich mich bei der ARGE melden – vier wochen vor dem arbeitsvertragsende. damit ich meine scherflein ab dezember fuer ein halbes jahr bekommen kann. die ARGE ist ein gefaengnis, aber ohne zellen, die angestellten, die dort arbeiten, dieses verbürokrateten, wandelnden weihrauchfahnen, sind meine vier zellenwaende – nix gegen die leutchen, aber so sieht es nun mal aus fuer mich, heute, morgen, alle Tage. der tag hat vierundzwanzig stunden, wieviele stunden hat ein gefaengnis?

3_noch bin ich nicht im gefaengnis drin, andere haben schon bessere bluesgeschichten darueber geschrieben, ich lasse es lieber sein – den ARGE-blues hat noch niemand geschrieben. kann man daraus schliessen, dass die ARGE  schlimmer als gefangnisaufenthalt ist??????
dies ist sehr sehr subjektiv, jeder empfindet anders, aber ich bin nicht jeder & empfinde nun einmal so & nicht anders.

4_meine kollegen ruehren mich fast zu traenen – so manch einer nimmt anteil & manch einer kocht ueber vor wut, weil meine situation so verzweifelt erscheint. es adelt sie. & das habe ich auch einem kollegen gestern gesagt. ein kleiner trost & der beweis, dass ich hier nicht ganz ungelitten bin. vielleicht geschieht auch noch ein wunder. wir sollten wieder mehr glauben (auweia, man merkt, dass sich meine laune bessert, es satirt beinahe wieder, weiter so, sutaio, get yer rocks off!).
—– & schon ist wieder alles verschwunden, die alte lust am fabulieren & dampfablassen, this land is my land, but it isn´t my home any more. this land is my land, but my home´s beyond the sea shore (frei nach woody guthrie, gott hab ihn selig!).

Tagebuchblatt 6_11.08.2010


wie fuehlt sich das an, ausgestossen zu werden aus einer gemeinschaft, die eh´ nicht viel fuer den naechsten uebrig hat? es fuehlt sich gar nicht gut an, kann ich nur sagen: jetzt ist es raus & amtlich, ich werde bei meinem arbeitgeber ueber das jahr 2011 hinaus nicht uebernommen, ich kann gehen, dabei habe ich meine schuldigkeit noch gar nicht getan, witzlos ists trotzdem.
es ist eine schauderhaft zynische situation: da wird man für zwei jahre eingestellt, die arbeit nimmt nicht ab, & dann kuemmert es niemanden mehr, weder ARGE noch arbeitsstelle, ob man wieder in hartz4 verfällt oder nicht, dabei sollte es doch vorrangig sein, den langzeitarbeitslosen dauerhaft in arbeit zu bringen, das recht auf arbeit in die realitaet umzusetzen.
geschissen darauf. 
ich bitte meine ordinaere ausdrucksweise an dieser stelle zu entschuldigen.
nicht zu entschuldigen ist meine ratlosigkeit, schon seit vielen monaten raubt sie mir die innere & aeussere ruhe, den so genannten seelenfrieden, der mich davon abhielte, ordinaer oder geschmacklos zu werden. oder sogar auszurasten, wie es so schoen heisst. nichts von alledem, ich bleibe ruhig & scheinbar gelassen, so, wie es jeder deutsche in solchen situationen tun wuerde, haltung bewahren & nuechtern denken.
ich bin aber kein nuechterner deutscher, ich bin kein preussischer junker, ich bin kein bairischer grossfuerst, kein badischer galan, kein saarlaendischer grossindustrieller, kein koelner jeck.
ich bin am verlieren.

Diary_5 – 02. August 2010


1_ …. nimmermehr muede sein, nimmermehr traurig – es waere schoen, ein gluecklicher mensch zu sein, warum modert´s nur so stark um mich her, sind es meine fragen an das leben, die hier verwesen sollen, weil ich´s nicht schaffe, das leben selbst zu entraetseln? die tueren stehen auf, sogar die fenster, frische luft stroemt massenweise, nur mich erreicht nichts davon – ausser muedigkeit & schlafwille, der nicht aufhoert. das leben denkt nicht an mich, wann habe ich das wohl begriffen? 1967? oder spaeter? dass dieser satz, ob damals erfunden oder soeben, voelliger bloedsinn ist, muss wohl jedem einleuchten, der ein bisschen verstand sein eigen nennt.
weshalb weicht diese muedigkeit nicht, weshalb nur bin ich traurig wie noch nie, obwohl ich doch jemanden fand, der das leben mit mir teilen will – zwar auf verschiedenen ebenen, aber immerhin ……
letzte worte, geschriebene todesweihe, mit schwarzer tinte, melancholien der niederschrift, assoziationen in schwarzweiss, kreuze, halbmonde und yinyang-windspiele – leicht gelangweilte naehe zum sterben ist das alles nicht. eher spiel mit dem dasein, kein kriegsspiel, keine politik, es ist ein unbekanntes spiel, etwas, das nicht aufhoeren kann.
menschendasein ist kein universum, menschenschicksale sind keine spielereien – wir sind so mittendrin im geschehen, meinen aber, wir seien der mittelpunkt – was niemals der fall war.  gaebe es goetter, sie wuerden jetzt in lachen ausbrechen. ueberlassen wir das getrost den menschen.
nie wieder muedigkteit, nie wieder melancholie – bei letzterem bin ich mir nicht sicher, doch die muedigkeit sollte ruhig weichen – wär´ ein guter vorsatz fuer den monat august im jahre 2010. & somit möge der monat beginnen.

2_  unglueck & pech sollen mir folgen mein leben lang – ein schoener vorsatz, leider ist er nicht von mir. immer dann, wenn der august beginnt, besser gesagt ist es der 4. tag dieses monats, denke ich an den morgen des 4. augusts 1969, als ich mit meinem fahrrad zum ersten tag meiner lehrzeit aufbrach. es war eine strecke von circa 5 kilometern, ich wusste nichts darueber, was mich erwartete, ich war noch ganz schueler & noch keine fuenfzehn jahre alt – noch keine drei wochen vorher wurde ich erfolgreich aus der hauptschule entlassen, mit grossem brimborium, unser ehemaliger hauptschullehrer entliess uns in die harte arbeitswelt mit einem zeugnis, das damals noch ein bisschen was galt.
ich wollte geborgen bleiben im gewohnten, jedenfalls fuer eine kurze zeit noch, man entliess mich daraus ohne gnade – ich wurde ins unbekannte gestossen, ein jahr spaeter fiel ich in ungnade, machte mich unbeliebt in familie & firma, es ist alles wohl bekannt – sicher verwahrt in den annalen meines ungluecks, & meine unsicherheit damals wie heute spiegelt sich in meinem selbstmitleid wider. diese graue zeit hat sich tief in mein gedaechtnis gegraben. seitdem stehe ich auf kriegsfuss mit allen ernannten &/oder selbsternannten unterdrueckern dieser welt, dieses landes, dieses landstrichs, dieser stadt & dieser staette, in vergangenheit & gegenwart.

3_ … soll dies der ursprung meiner melancholien sein? es gab sicher noch andere ursachen, doch diese war in der tat einschneidend. ich lernte in diesen ersten tagen meiner lehrzeit den zynismus erwachsener kennen, die gemeinheiten, die sich chefs ihren mitarbeitern gegenueber erlauben, weil sie sich selbst als höherstehend einstufen auf grund ihrer „besser“ gestellten position/en – ich danke auch sehr! –  lernte die herablassende haltung weiblicher kolleginnen kennen, die in mir nur das buebchen sahen, keinerlei vertrauen in mich setzten, weil ich nicht so funktionierte wie sie, lernte die perfidie aelterer lehrlinge kennen, die die erklaerten lieblinge des chefehepaares waren – einerseits die bittere behandlung hier, fuer mich, andererseits die suesse wonne des anderen bevorteilten erfahrend – wie schoen es ist, einaeugig zu sein ohne zu stolpern!
unausloeschbar sind diese gegensaetze – wie auch, sie aehneln  & wiederholen sich bis zum heutigen tag. eine seltsame auszeichnung, fuerwahr. sie wiederholen sich auch im privaten. ausgesetzt auf den bergen des hasses kann ich mich ueber solch „schoene aussichten“ nicht beklagen.
4_  schwamm drueber!? ich will nichts vergessen, weil ich daraus lernen moechte. das sage ich ohne bitterkeit.

Was Marianne von der Leyen alles so macht im Jahr 2010


Ein Gespenst geht um in Blieskastel – Das Gespenst einer Person, die zwar im Jahre 1805 gestorben ist, aber sich noch immer als Schirmherrin dieser Stadt sieht. Sie greift niemanden an, sie ist keine vampirische Blutsaugerin, sie sucht niemanden heim, aber ihre Gestalt ist wohlbekannt & ihr Name in aller Munde. & dabei ist sie nicht einmal die bundesdeutsche Ministerin mit Vornamen Ursula, sie ist einmal Landesherrin dieses Teils des Bliestals gewesen. Das war vor langer, langer Zeit.

An jedem Tag um die Mittagsstunde trippelt eine zierliche Frauengestalt durch die Gassen & Strassen von Blieskastel, für jederman/frau jedoch unsichtbar, nur ein kleiner, ausgesuchter Kreis von Begnadeten bildet die Ausnahme, kann sie leiblich sehen & hören, ihre Stöckelschuhe klappern fröhlich auf dem Pflaster, ihre Stimme ist leise & heiser vom Staub der Jahrhunderte, aber ihr Gang ist aufrecht & einer Gräfin durchaus angemessen. Ich gehöre zu diesem auserlesenen Kreis der Glücklichen, die sie sehen, berühren & mit ihr sprechen dürfen – & obschon sie ein Gespenst ist, fürchte ich mich keineswegs vor ihr. Im Gegenteil, ich finde Frauen als Gespenster am attraktivsten. Sie hingegen, sagte sie mir erst vorige Woche, ist ein wenig unglücklich in letzter Zeit. Da sie ihr Dasein in Blieskastels alten Mauern verbringen muss, kennt sie sich nicht mehr richtig aus, es habe sich so vieles verändert, & nicht einmal zum Vorteil – Das Automobilzeitalter macht ihr noch nach über einhundert Jahren zu schaffen, sie ist immer noch nicht richtig darüber hinweggekommen, dass es keine Pferdekutschen mehr gibt. Doch habe ich sie zu trösten versucht, sagte ihr, sie habe doch Spass gefunden an den PCs und an den Mobilfunkgeräten, mit denen sie überallhin kommunizieren kann, die kreuz-die-quer, & sie hat gelächelt, still vor sich hingelächelt, als sie meine Sätze vernahm. Sie ist schon ein kleines, schrulliges Wesen, diese Gräfin, muss ich sagen. Sie sieht übrigens viel hübscher aus als auf den alten Gemälden, & die Angst vor den Franzosen & ihrer peinlichen Revolution trägt sie nicht mehr in ihren Augen mit sich spazieren.

Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die letzten Relikte aus ihrer Zeit besonders stark & intensiv zu behüten, die Überreste des alten Schlosses, das die Franzosen zerstörten, und die Schlossberghäuser, wo ihre Beamten drin wohnten, zählen zu ihren ganz besonderen Lieblingen, die es zu erhalten gilt. Ausserdem viele alte Häuser in der ehemaligen Innenstadtmitte ihrer Zeit, dort sieht man sie am häufigsten zu Werke gehen, sie spricht mit den alten ehrwürdigen Mauern in einer Sprache, die niemand versteht, sie sagt, es sei die Sprache des Weltalls, & sie wäre heilsam, diese Sprache, es würde die Mauern weiter erhalten, für viele Jahrhunderte noch. Nun gut, ich bin da ein bisschen skeptisch, aber will sie nicht verwirren in ihren frommen Absichten. Was die anderen Auserlesenen über sie denken & sagen, weiss ich nicht, sie teilen sich niemandem mit. Die Gräfin von der Leyen ist in der Auswahl ihrer Verehrer überaus wählerisch vorgegangen, es handelt sich um nur fünfzehn Personen, mich einbegriffen, die das Privileg besitzen, mit ihr kommunizieren zu dürfen, darin ist sie noch ganz Landesherrin & Fürstin ihrer Zeit.